Warum ist finanzielle Bildung so wichtig?
5 Fragen an Dirk Loerwald
5 Fragen an Dirk Loerwald
Finanzielle Bildung ist unser Kapital: Mit ihrer Hilfe soll jede und jeder Einzelne selbstbestimmte finanzielle Entscheidungen treffen können – um vorzusorgen, Schulden zu vermeiden und Vermögen aufzubauen. Um wirksame und für verschiedene Zielgruppen passende Bildungsangebote zu gestalten, braucht es fundierte wissenschaftliche Erkenntnisse. Aus dieser Motivation heraus fördert das Bundesbildungsministerium die Forschung zur finanziellen Bildung in allen Bildungsbereichen und Altersgruppen. Warum finanzielle Bildung aus seiner Perspektive wichtig ist, erklärt Prof. Dr. Dirk Loerwald von MetaFin, dem übergeordneten Metavorhaben der Förderlinie „Forschung zu finanzieller Bildung“ uns im Interview.
Herr Loerwald, mal ganz banal gefragt: Warum ist finanzielle Bildung aus Ihrer Sicht so wichtig?
Finanzielle Bildung ist aus meiner Sicht wichtig – nicht nur, um die individuelle Vorsorge zu sichern, sondern auch, weil sie ein Beitrag zur Mündigkeit insgesamt ist. Denn wer nicht viel weiß, muss viel glauben, und dafür ist Bildung ja im Endeffekt da. Bildung soll uns helfen, das Leben besser bewältigen zu können, die Welt besser zu verstehen und große gesellschaftliche Herausforderungen auch normativ zu reflektieren – und zu all diesen Bereichen kann finanzielle Bildung einen Beitrag leisten. Deshalb ist sie aus meiner Sicht keine Spezialbildung nur für Bankkaufleute oder Betriebswirte, sondern eine allgemeine Bildung. Ein Mindestmaß an Finanzkompetenz sollte jeder mitbringen, um das Leben vernünftig meistern und bestimmte wirtschaftliche Phänomene reflektieren zu können.
Was bedeutet Finanzbildungsforschung eigentlich genau, und welche Bereiche gibt es?
Ganz grundsätzlich geht es in der Regel um Lehr-Lern-Prozesse im Bereich der Finanzen sowie ihre Voraussetzungen und Ergebnisse. Das heißt: Mit welchen Vorstellungen und Einstellungen gehen Lehrkräfte in so einen Prozess hinein? Wie kann man mithilfe geeigneter Methoden Finanzbildung vermitteln? Und welche Ergebnisse kommen am Ende heraus? Dafür gibt es umfangreiche internationale Studien, in denen Finanzbildungskompetenz gemessen wird. An diesen Aspekten arbeiten wir in der Forschungsförderlinie, indem wir systematisch in verschiedenen Projekten die Literatur sichten, Monitoring betreiben sowie ein wenig Entwicklungsforschung und Evaluation durchführen.
Und Sie betrachten dabei die finanzielle Bildung über die gesamte Lebensspanne? Wie ist es um die Finanzbildung in Deutschland bestellt?
Das muss man vielleicht unterscheiden. Man kann sich zum einen anschauen, was an Finanzbildung angeboten wird. Da haben wir in Deutschland, glaube ich, im außerschulischen Bereich mittlerweile eine ganze Menge an Initiativen und Angeboten. Im schulischen Bereich sieht es noch dünn aus. Wir haben uns bisher die Lehrpläne angeschaut – da findet man die Finanzbildung nur in ganz wenigen Schulfächern. Das liegt auch daran, dass Finanzbildung ein Teil der ökonomischen Bildung ist und ökonomische Bildung noch nicht durchgehend in einem Fach „Wirtschaft“ unterrichtet wird. Was die Ergebnisse angeht, gibt es unterschiedliche Studien. Manche attestieren den Deutschen eher so etwas wie finanziellen Analphabetismus. Andere, wie die aktuelle OECD-Studie zur Finanzbildung von Erwachsenen, bescheinigen Deutschland besonders gute Ergebnisse. Das heißt zwar nicht, dass alle das Mindestmaß erreicht haben, aber im Vergleich zu anderen Ländern hat Deutschland gut abgeschnitten.
Wie kommt es zu diesen sehr gegensätzlichen Ergebnissen?
Das hat damit zu tun, dass die Studien unterschiedlich angelegt sind und verschiedene Zielgruppen befragen. Möglicherweise sind besonders Befragungen von jungen Menschen noch von geringerem Finanzwissen gekennzeichnet, da in der Schule bisher nicht viel vermittelt wurde. Im Laufe des Lebens eignet man sich jedoch einiges selbst an. Im Nachhinein kann man es nicht genau sagen. Aber das ist eben Forschung: Wir haben immer unterschiedliche Konstrukte, die gemessen werden. Umso wichtiger ist es, dass wir jetzt diese große Förderlinie haben und zunehmend Metastudien erhalten, die ein klareres Bild zeichnen.
Das Metavorhaben, in dem Sie arbeiten, hat im Gegensatz zu den Forschungsprojekten ja vor allem übergeordnete Aufgaben, wie die Vernetzung der Projekte untereinander und den Transfer der Forschungsergebnisse. Dazu gehört auch die Einrichtung eines sogenannten „Clearinghouse Finanzbildungsforschung“. Worum geht es dabei konkret?
Ganz genau. Das Metavorhaben MetaFin hat das Ziel, die bestehenden Ergebnisse aus den 73 Einzelforschungsprojekten zusammenzuführen und zu kommunizieren – auch so, dass sie für interessierte Laien nachvollziehbar werden. Das Clearinghouse Finanzbildungsforschung hat dabei einen besonderen Stellenwert, indem es wissenschaftliche Evidenz über Finanzbildung schafft und bereitstellt. Beispielsweise durch das Monitoring aktueller Literatur, durch die Aufbereitung von Forschungssynthesen und durch die Bereitstellung von Repositorien für Messinstrumente. Mit diesen kann man wiederum in anderen Studien Skalen einsetzen, um Finanzbildung zu messen. Damit wird deutlich: Das Clearinghouse wendet sich einerseits an Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, andererseits aber auch an Politik und Praxis, um seriöse, fachlich fundierte Informationen aus der Finanzbildungsforschung aufbereitet konsumieren zu können.
Umfangreiche Angebote zur finanziellen Bildung gibt es inzwischen vielfach auch in den sozialen Medien – wie kann man sich hier orientieren und warum ist in diesem Kontext auch die empirische Forschung zu finanzieller Bildung so wichtig?
Zunächst einmal müssen wir konstatieren, dass es nicht nur viele Angebote gibt, sondern dass gerade die jüngere Generation ihre Informationen fast ausschließlich aus diesen Kanälen bezieht. Wenn ich meine Studierenden in der Einführungsvorlesung frage, ob sie eine überregionale Tageszeitung lesen – nicht einmal als E-Paper tun sie das in der Regel. Die meisten orientieren sich über Social Media. Deshalb muss man dem auch aus der Forschung Aufmerksamkeit schenken. Denn wie das auf diesen Vertriebskanälen üblich ist, gibt es einerseits seriöse Anbieter – etwa die Stiftung Warentest oder wissenschaftlich fundierte Kanäle. Andererseits gibt es aber auch zahlreiche Influencerinnen und Influencer, die fachlich nicht als seriös einzuschätzen sind. Wenn dort angeblich versprochen wird, in kürzester Zeit viel Geld mit Social Trading oder Copy Trading zu verdienen, sollte man vorsichtig sein. Es gilt nach wie vor das alte magische Dreieck der Geldanlage: Man kann nicht gleichzeitig eine hohe Rendite erzielen, ein niedriges Risiko haben und zugleich ständig über sein Geld verfügen. Wer so etwas anbietet, kann nicht seriös sein. Deshalb muss die Finanzbildungsforschung Hilfestellung leisten, um gute und schlechte Angebote zu unterscheiden und auch ein Monitoring dieser Angebote zu betreiben.
Sie veröffentlichen eine Fachzeitschrift zur finanziellen Bildung. Wer ist hier die Zielgruppe, und welche inhaltlichen Schwerpunkte möchten Sie setzen?
In der Wissenschaft gibt es mittlerweile viele internationale Journale, die auf hohem Niveau Forschung referieren. Sie sind für die Forschung extrem wichtig. Daneben gibt es Magazine, die Finanzthemen auf sehr einfache Weise vermitteln – etwa am Bahnhofskiosk. Unsere neue Zeitschrift liegt irgendwo dazwischen. Wir wollen eine wissenschaftlich fundierte Zeitschrift auf den Markt bringen, die sich aber an eine Zielgruppe richtet, die über die Wissenschaft hinausgeht. Forschungsergebnisse sollen verständlich präsentiert werden, ergänzt durch interessante Rubriken wie Interviews, Kommentare und Ähnliches. Diese Zeitschrift werden wir Anfang nächsten Jahres erstmals im Wochenschau-Verlag unter dem Titel „Forum für finanzielle und ökonomische Bildung“ herausbringen – und wir sind gespannt, wie sie bei den Leserinnen und Lesern ankommt.
Herzlichen Dank für diesen spannenden Einblick!
Infos zum Metavorhaben MetaFin